Saturday, June 14, 2014

Tag 5: Unverhofft kommt oft

http://youtu.be/9p8O_JfQEsU

Heute ging es echt drunter und drüber, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Morgens bin ich so früh wie möglich aus dem schäbigen Hotel raus und habe mir im nächstbesten Dunkin Donuts Frühstück organisiert. Aufgrund der mangelhaften Beschilderung irrte ich eine zeit lang durch die Vororte von West Philly, doch unterm Strich kam ich ganz gut voran. Doch dann passierte es. Es war nur eine Frage der Zeit, da die Strassenränder hier wohl sehr selten gereinigt werden, sie sind voller Scherben, Splitter und Unrat. Ich übersah ein kleines Stück Metall, und mit einem Puffen hatte ich ein plattes Hinterrad.
Schöne Scheiße.
Zum Glück war um die Ecke eine Autowerkstatt, also dachte ich, ich könnte dort den Schlauch austauschen (ich hatte Ersatz dabei), der Reifen schien unbeschädigt. In der Werkstatt wurde mir vorgeschlagen den Reifen kurz aufzupumpen, um das Loch im Schlauch und eventuelle Beschädigungen im Reifen selbst zu finden. Das schien mir eine gute Idee, doch dann stellte man auf die harte Tour fest dass Autoreifen mit viel mehr Druck aufgepumpt werden als Fahrradschläuche. Es gab einen lauten Knall, dann hatte ich einen leichten Tinnitus und der Reifen einen 5 cm langen Riss.
Fuck.
Okay die Situation ist jetzt viel komplizierter geworden, und meine Manieren ließen leider etwas nach (falls Bruce der Mechaniker das liest: Sorry nochmal). Wir riefen beim nächstgelegenen Fahrradladen an um zu fragen ob sie passende Reifen haben. Hatten sie nicht. Also fuhren wir zum nächstgelegenen Walmart, die verkaufen Fahrräder und Fahrradteile, sicher haben sie nen passenden Reifen für mich. Hatten sie nicht.
FUCK!
Auch ein panischer Anruf in die Heimat brachte nichts, also musste ich mich in Gedanken damit abfinden den Reifen zu bestellen und die paar Tage bis zur Lieferung hier auszuharren. Es gab jedoch noch einen letzten Fahrradladen, dieser war jedoch etwas weiter weg. Entgegen meinen Erwartungen wurde ich dorthin gebracht, mit dem platten Reifen im Gepäck da das gesamte Fahrrad zu groß fürs Auto war. Und siehe da, sie hatten den passenden Reifen, sogar mir kevlareinlage. Sie haben ihn zwar rückwärts aufgezogen, und aufgrund meiner laienhaften Montage scheint er ein wenig zu eiern, aber es funktioniert soweit alles und die Probleme sollten beim nächsten Fahrradladen schnell und günstig zu lösen sein. Ich habe etwas mehr als eine Stunde an Zeit verloren, und mein klammer Geldbeutel hat wieder was abbekommen, aber zumindest kann ich im Moment weiterfahren. Als ich nach dem Grund der ganzen Hilfsbereitschaft fragte, wurde mir erklärt wo genau ich gelandet war. Die krimminellste Stadt amerikas. Ich dachte das wäre ein Scherz, doch dann wurde mir grafisch erklärt wie an der Tanke gegenüber erst letzte Woche 2 Leute umgebracht wurden, plus einige weitere Beispiele. Sie meinten dass ich mit meinem ungewöhnlichen Outfit sofort als Aussenseiter aufgefallen wäre, und wäre ich nicht gefahren worden wäre ich ein leichtes Ziel gewesen. Beruhigend. Ich machte mich also verdammt schnell auf die Socken, mein Ziel für den Tag, Perryville, konnte ich vielleicht noch knapp erreichen wenn ich mich beeile. Über ein Industriegebiet erreichte ich schließlich Wilmington. Auch hier verfuhr ich mich und fragte eine Gruppe von grillenden Leuten nach dem weg. So lernte ich Chip den Freimaurer kennen, und nachdem ich meine Geschichte erzählt habe wurde ich prompt eingeladen. Das Barbecue diente dazu, den Gemeinschaftssinn in der Nachbarschaft zu fördern, und ich fühlte mich tatsächlich sofort wie unter Freunden. Doch nach ein paar Burgern, Fotos und guten Gesprächen musste ich leider weiterziehen. Ich schaltete auf Stur und setzte mir in den Kopf Perryville doch noch zu erreichen, was ich nach ein paar Stunden und am Rande des Zusammenbruchs auch schaffte. Problem, in Perryville gibt es nur 2 Hotels, und keins davon wirkte besonders einladend. Ich fragte in einer Tankstelle nach weiteren Hotels, und ich mir wurde erklärt, dass es einige auf der anderen Seite des (unaussprechlichen) Susquehanna River gab. Das Problem hierbei war nur, dass aus Gründen die ich nicht verstehe auf sämtlichen Brücken in der nähe nur Autos zugelassen waren. Ein Paar (Sydney und William, an dieser stelle nochmal Danke) überhörte mein Gespräch mit der Kassiererin und schlug vor, mein Fahrrad in ihrem Auto über die Brücke zu bringen. Ich nahm dankbar an,weil ich die 10 Meilen zum nächsten Staudamm plus Rückweg nicht mehr vor Sonnenuntergang geschafft hätte. Also ja, ich habe etwas gemogelt, einen kleinen Teil der Strecke bin ich nicht selbst gefahren... Naja, was soll's.
Das Fazit für heute ist wohl folgendes: Trotz der Verzweiflung am Mittag fühle ich mich freier. Ich schätze mal ich habe jetzt akzeptiert dass ich essentiell mitten in einem rasenden Fluss bin, auch wenn ich ein wenig die Richtung vorgeben kann liegt doch erstaunlich viel ausserhalb meiner Kontrolle, und daran kann ich nichts ändern. Zumindest bin ich froh, dass sich für jede Schwierigkeit bis jetzt immer eine Lösung präsentiert hat, und ich unerwartet viele hilfsbereite Menschen, ja sogar Freunde gefunden habe. Ich hoffe sehr dass mir dieses Glück nicht ausgeht, sonst ist diese Reise schneller vorbei als gedacht, doch auch dass ist nie auszuschließen.
So, jetzt gehe ich schlafen, ich bin echt kaputt, und morgen geht's weiter, und übermorgen, und...

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