Tuesday, April 4, 2017

Tag 15: Pleiten, Glück und Pannen

Lied des Tages

Mal vorneweg, ich habe gestern vorm schlafengehen die Unterkünfte bis Tokio durchgebucht, da die kommenden Etappen jetzt eigentlich ziemlich klar definiert sind, und auf Grund der Kirschblütensaison langsam die Hotels in und um Tokio knapp wurden. Der Haken war, das die heutige Etappe nach Fukushima mit 80 km eher knapp bemessen war, die morgige mit 120 dafür etwas happiger ausfällt, aber das ließ sich leider nicht ändern. Aber ein ruhigerer Tag, noch dazu mit ziemlich angenehmen 15 Grad und Sonne würde sicher erholsam genug sein, damit die nächste Etappe auch irgendwie klappt.

Soweit der Plan.

Jetzt die Realität: Nachdem ich ein paar hundert Meter vom Hotel entfernt war, hörte ich zunächst ein knacken, danach ein klimpern am Hinterrad, als ob sich ein kleiner Zweig verfangen hätte. Ich hielt an, sah keinen Ast, und wollte weiterfahren. Das Klimpern hörte aber nicht auf. Bei genauerem Hinsehen stellte ich fest, das da eine Speiche zwischen meinen Speichen hing:


Der allgemeine Verschleiß und das generelle Übergewicht hinten (hab keine Fronttaschen) haben mein Rad also eingeholt (oder die gewonnene Figur gestern war wirklich der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat).
Aber wenn es eine Sache gibt, die sich ausnahmslos bewahrheitet hat, dann Folgendes: Wenn ich eine Panne habe, dann nur in Laufreichweite eines Mechanikers. So auch diesmal, 500 m Abstand zum nächsten Fahrradladen. Der machte zwar erst um 11 auf, aber da ich spät gestartet bin hatten wir schon fast 10. Vor dem Fahrradladen traf ich einen (ebenfalls wartenden) freundlich gesonnenen älteren Herrn, der bedauerlicherweise kein Englisch sprach. Ich erklärte ihm (mittels Fingerzeig) die Situation, da ging schon (um 10) eine Tür auf, und ein paar Mitarbeiter des Ladens kamen. Sie nahmen das Fahrrad an sich, und erklärten dass sie erst um 11 genaueres sagen konnten. Der alte Mann lud mich in der Zwischenzeit netterweise auf einen Kaffee ein, und so sah ich Sendai auch mal bei Tagselicht.


Um 11 hieß es seitens des Ladens, dass das Fahrrad zwar heute noch repariert würde, aber erst zwischen 14 und 15 Uhr abholfertig wäre, da es viel Andrang gab (großer Laden im Zentrum einer Millionenstadt, irgendwo verständlich).
Das wäre an und für sich auch okay, aber so spät konnte ich nicht mehr zu einer 80 km Etappe starten, ergo musste ich mich wieder einmal nach öffentlichen Verkehrsmitteln erkundigen. Glücklicherweise hatte der alte Mann inzwischen seine Frau herbeigeholt, die ein wenig Englisch sprach und somit ein wenig dolmetschern konnte. Der Busbahnhof war einen Block weiter, aber nach einigem hin und her stellten wir fest, dass keiner der Busse Fahrräder transportieren würde (in Hokkaido waren die Gepäckfächer leer, hier war hingegen rege Betriebsamkeit und daher kein Platz).
Der obligatorische Besuch bei der Bahn war ebenfalls erfolglos. Das ältere Paar hatte leider nur einen Kleinwagen, die Möglichkeit fiel also auch aus. Ihr Sohn hatte aber ein Fahrzeug, welches groß genug wäre. Nach einem kurzen Telefonat stellten wir fest, dass er jedoch gerade auf dem Weg nach Morioka war...
Die Ideen wurden langsam knapp, aber einen Vorschlag seitens des alten Mannes gab es noch: Das Fahrrad postalisch nach Fukushima schicken, dann mit der Bahn fahren und das Ding morgen entgegennehmen. An und für sich okay, jedoch käme die Post erst Mittags, und die morgige Etappe ist nochmal länger, also stände ich letztendlich wieder vor dem gleichen Problem.
Die einzige Alternative wäre, das Fahrrad an die übernächste Unterkunft, also Nasushiobara, zu schicken, dann müsste ich zweimal Bahn fahren, hätte aber übermorgen sofort einen einsatzbereiten fahrbaren Untersatz. Der Gedanke, nochmal zwei Etappen zu überspringen, gerade wo das Wetter endlich einmal etwas Fahrspaß zulässt, missfiel mir zwar, aber ich hatte nicht wirklich eine Wahl. Wir gingen zurück zum Fahrradladen, um die Mitarbeiter anzuweisen das Gerät im Anschluss einzupacken... aber es war schon repariert! Und wir hatten erst 12! Es wurde einfach die defekte Speiche getauscht, nicht das ganze Rad, was auch die kosten deutlich gedrückt hat. Außerdem wurden alle anderen Speichen auf Risse etc überprüft und für okay befunden, mein Fahrrad ist also (hoffentlich) keine tickende Zeitbombe, und das hier war nur ein Einzelfall.
Ich bedankte mich vielmals und wollte los, da bot der alte Mann mir an, mich auf die günstigste Route Richtung Fukushima zu lotsen. Ich nahm an und wir fuhren los. Das Tempo war etwas gemächlich, dafür führte er mich direkt zur Route 4, der ich praktisch bis zum nächsten Hotel folgen konnte. Wir hatten inzwischen 13 Uhr, und laut Google fehlten noch 75 km, ich sollte mich also beeilen. Ich sicherte mir die Visitenkarte des alten Mannes und düste los. Sendai zog sich noch lange hin, aber dank des guten Wetters und einer ebenen Strecke konnte ich eine solide Reisegeschwindigkeit halten. Gegen Ende hin wurde es wieder etwas hügelig, die gute Straßenführung machte es aber sehr erträglich.



Auch wenn die meiste Zeit über die Landschaft nur an mir vorbeirauschte, so wurde es doch ein wenig grüner, und es gab sogar eine weitere Premiere:


Zwar nur vereinzelt am Straßenrand, aber immerhin... Ich komme dem Frühling langsam auf die Schliche!

Gegen Ende begann die Sonne hinter den Hügeln zu verschwinden, also gab ich nochmal Gas um den Sonnenuntergang (erfolgreich) ein kleines bisschen nach hinten zu verschieben. Gegen 18 Uhr war die Sonne entgültig weg, und die Temperaturen wurden direkt unangenehmer, aber dafür befand ich mich schon innerhalb von Fukushima. Ich erreichte das Hotel kurz nach halb 7, was heißt dass ich 75 km in 5,5 Stunden geschafft habe... Was so ein bisschen Wärme alles ausmacht.
In der Nähe gab es einen guten Laden für Dumplings, den ich mithilfe der Angestellten des Bahnhofs nebenan schnell fand. Bedauerlicherweise hatte der Laden aber schon zu, also musste ich mit McDonald's vorlieb nehmen. Keine Fotos oder kulinarische Höhenflüge heute, tut mir leid.
Zu guter letzt ging es natürlich noch ins Onsen (hier definitv ein paar Grad heißer als die letzten paar), und jetzt ist der Tag auch schon vorbei. Eigentlich hätte es eine entspannte Kaffefahrt werden sollen, aber naja... Irgendwie werde ich die 120 km morgen schon schaukeln, dafür konnte ich mich schließlich heute vormittag "ausruhen".
Am Rande: Ja ich übernachte in Fukushima, aber der Ort ist fast 100 km vom berüchtigten Atomkraftwerk entfernt, also keine Sorge.

 Hier natürlich noch das Video:


PS: Es war überraschend schwer, keine fiesen Witze hier einzuarbeiten, mein Humor ist leider echt ziemlich finster...

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